Schädelakupunktur – eine moderne Entwicklung
Die Chinesische Schädelakupunktur (oft auch Scalp Acupuncture genannt) ist eine moderne Weiterentwicklung der klassischen Akupunktur. Sie schlägt die Brücke zwischen jahrtausendealter Chinesischer Medizin und der modernen westlichen Neurologie.
Die Entwicklung:
Inspiriert von einigen Mikroakupunktursystemen, wie Ohr-, der Nasen- und Augen-Akupunktur, begannen in den 1950er Jahren einige Akupunkteure, die Nadelung am Kopf zu praktizieren, um Krankheiten an anderen Regionen zu behandeln.
Prof. Jiao Shunfa kombinierte in den frühen 1970ern das Wissen über die Gehirnanatomie mit der Akupunkturtechnik, ohne Leitbahnen, Aku-Punkte und klassische TCM-Theorie.
In Folge entwickelten sich einige miteinander konkurrierende Systeme.
Die bekanntesten Stile, neben dem von Prof. Jiao, sind der von Prof. Lin, Prof. Fang, Prof. Zhang und Prof. Zhu.
Seit den 1980ern wird der Jiao-Stil in der universitären Akupunktur-Ausbildung in China unterrichtet.
In der Praxis hat sich weitgehend der Stil nach Jiao, oft ergänzt durch den Stil von Lin, durchgesetzt.
Dennoch ist die Forschungsarbeit längst nicht abgeschlossen. Es ist ein sehr lebendiges System, in dem immer wieder neue Areale für die Anwendung in der Praxis entdeckt werden.
1. Die Methode:
Die Nadeln werden in einem sehr flachen Winkel unter die Kopfhaut geschoben.
Ursprünglich wurden sie danach schnell gedreht (bis zu 200-mal pro Minute), um einen starken Reiz zu setzen.
Heute werden sie nach dem Einstich 30 Sekunden bis 1 Minute stimuliert und liegen gelassen. Oder man legt an die relevantesten Nadeln einen pulsierenden Strom an.
2. Die wichtigsten Anwendungsgebiete
Da diese Form der Akupunktur direkt auf das zentrale Nervensystem abzielt, wird sie vor allem bei neurologischen Erkrankungen eingesetzt:
- Schlaganfall-Rehabilitation: Dies ist das bekannteste Einsatzgebiet (z. B. bei Lähmungen oder Sprachstörungen).
- Neurologische Erkrankungen: Parkinson, Multiple Sklerose (MS) oder Ataxien.
- Schmerztherapie: Chronische Kopfschmerzen, Migräne oder Phantomschmerzen.
- Psychische Beschwerden: Depressionen, Angststörungen oder Schlafstörungen.
3. Was sagt die Wissenschaft?
In China gehört die Schädelakupunktur in vielen Kliniken zum Standard, besonders in der Neurologie. Im Westen wird sie zunehmend als ergänzende Therapie (Komplementärmedizin) geschätzt. Studien deuten darauf hin, dass die Stimulation die Neuroplastizität fördern kann – also die Fähigkeit des Gehirns, sich neu zu organisieren und verlorene Funktionen durch andere Bereiche zu ersetzen.
Aktuelle Studienlage zur Schädelakupunktur
Die wissenschaftliche Untersuchung der Schädelakupunktur hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen, insbesondere im Bereich der Neurologie.
- Schlaganfall-Rehabilitation: Systematische Reviews (z. B. in Frontiers in Neurology) zeigen, dass die Schädelakupunktur die motorische Erholung nach einem ischämischen Schlaganfall signifikant fördern kann. Forscher beobachteten, dass die Methode die neuronale Plastizität anregt und die Durchblutung in den betroffenen Hirnarealen verbessert. In Kombination mit westlicher Physiotherapie erzielt sie oft bessere Ergebnisse als Physiotherapie allein.
- Parkinson: Eine Meta-Analyse von 15 klinischen Studien (RCTs) ergab, dass Patienten, die zusätzlich zur medikamentösen Therapie mit Schädelakupunktur behandelt wurden, eine deutliche Verbesserung der motorischen Symptome (Zittern, Gangsicherheit) und der Lebensqualität zeigten.
- Tinnitus und Schlafstörungen: Neuere Studien weisen darauf hin, dass die Stimulation bestimmter Areale am Hinterkopf das vegetative Nervensystem reguliert, was zu einer Reduktion der Tinnitus-Lautstärke und einer verbesserten Schlafqualität führen kann.
- Schmerztherapie: Besonders bei chronischen Rückenschmerzen und Migräne wird die Schädelakupunktur erfolgreich eingesetzt, da sie vermutlich direkt auf die Schmerzverarbeitung im Gehirn einwirkt.
Ein wichtiger Unterschied: Jiao (chinesisch) vs. Yamamoto (japanisch)
In Europa trifft man oft auf zwei Systeme von Schädelakupunktur:
- Chinesische Schädelakupunktur (Jiao): Nutzt lange Linien und tieferes Einstechen unter die Kopfhaut.
- Yamamoto (YNSA – Yamamoto New Scalp Acupuncture): Nutzt einzelne Punkte („Basispunkte“ an der Stirn und Schläfe), die oft sofortige Schmerzlinderung bewirken können.
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